Bewegung und Intelligenz

 

Können wir durch Bewegung gescheiter werden? Die frohe Botschaft lautet: Ja, wir können! Erstaunliche Erkenntnisse verdanken wir hier Prof. Dr. Wildor Hollmann, dem Nestor der deutschen Sportmedizin und heutigem Ehrenpräsidenten des Weltverbandes für Sportmedizin. In einem viel beachtetem Versuch untersuchte Hollmann ein großes  kollektiv älterer Menschen mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren. Dabei handelte es sich durchweg um Menschen, die sich zuvor noch nie übermäßig viel bewegt hatten- und es war gar nicht schwer, solche zu finden.

 

Hollmann unterteilte das Kollektiv in drei Untergruppen. Die erste Gruppe fungierte als Kontrollgruppe und hatte keinerlei besondere Aufgabenstellung. Das zweite Drittel erhielt als Aufgabe, ein Jahr lang täglich 30 Minuten spezielle Gedächtnisübungen durchzuführen. Das dritte Drittel musste jeden Tag einen 30 Minuten langen strammen Spaziergang durchführen.

 

Die Nachuntersuchung nach einem Jahr ergab: Die Kontrollgruppe hatte im Durchschnitt rund vier Prozent Gedächtnisleistung eingebüßt. Soviel scheint man in diesem Alter pro Jahr zu verlieren, wenn man nicht aktiv dagegen ansteuert. Die Gruppe, die das Gedächtnistraining absolvierte, verfügte durchschnittlich über eine um 20 Prozent verbesserte Gedächtnisleistung. Und die Bewegungsgruppe, so war die verblüffende Erkenntnis, erfreute sich einer um 40 Prozent verbesserte Gedächtnisleistung. Die Erklärung: Die Bewegung der Beine beziehungsweise des Körpers verbessert das neutrale Netz im Gehirn. Gemeint damit ist die Datenautobahn die unsere Hirnzellen vernetzt. Über diese Dendriten kommunizieren die Hirnzellen.

 

Früher glaubte man, dass intelligente Menschen über mehr graue Zellen oder mehr Hirnwindungen, sprich Oberfläche im Gehirn, verfügen müssten. Heute wissen wir, das stimmt nicht! Höchstens ein Drittel unserer Hirnzellen wird genutzt, der Rest liegt brach. Nicht die Anzahl der Hirnzellen ist entscheidend- sondern der Grad der Vernetzung. Und eben diese Vernetzung kann man verbessern, egal wie alt man ist. In der Fachsprache nennt man das auch die Plastizität, sprich die Veränderbarkeit des Gehirns. Die Bewegung der Beine und der aufrechte Gang sind für den ehemaligen Vierfüßler Mensch auch heute noch immer so eine immense Herausforderung an das Gehirn, dass es sich enorm anstrengen muss, um diese scheinbar einfache Aufgabe zu bewältigen. Bewegung jedweder Art stellt also den Schlüsselreiz zur Vernetzung unserer Hirnzellen dar.

 

Konzertpianisten wissen das: Die oft gegenläufige Bewegung der Hände ist so kompliziert für das Gehirn, dass es ständig an seiner Aufgabe wächst. Darum ist die Altersdemenz bei aktiven Pianisten weitgehend unbekannt. Auch hier gilt wie im gesamten menschlichen Organismus der medizinische Grundsatz: Use it or loose it!

 

Wichtig ist es also, das Gehirn über ständig neue Bewegungsreize anzuspornen. Wenn sich Rechtshänder einmal mit links das Brot schmieren oder die Zähne putzen, so ist diese scheinbar belanglose Veränderung bereits ein wirksamer Anreiz zur Verknüpfung neuer Hirnzellen. Wer möchte, der kann seinem Gehirn natürlich auch mit einem ganz professionellen Übungsprogramm auf die Sprünge helfen.

 

 

 

Dr. Michael Spitzbart

 

Der Mediziner zählt zu den bekanntesten Gesundheitsexperten Europas

 

er ist der Autor des Bestsellers „Fit Forever“